San Jose – Eine orale Steroidtherapie, die sich bei der Behandlung der lumbalen Radikulopathie steigender Beliebtheit erfreut, hat in der ersten größeren randomisierten Studie im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2015; 313: 1915-1923) den Funktionszustand der Patienten verbessert, ohne allerdings die Schmerzen stärker zu lindern als eine Placebobehandlung.
Einer von zehn Erwachsenen erleidet im Verlauf des Lebens eine akute Ischialgie, die durch einen ausstrahlenden Schmerz in Gesäß und Bein gekennzeichnet ist und häufig auf einen Bandscheibenvorfall zurückzuführen ist. Zu den etablierten, aber nicht unumstrittenen Therapien gehören epidurale Steroidinjektionen.
Sie basieren auf der Annahme, dass eine Entzündung in der durch den Bandscheibenvorfall eingeengten Nervenwurzel für die Schmerzen mitverantwortlich ist. Da die Injektionstherapie technisch anspruchsvoll ist und unter bildgebenden Verfahren erfolgen sollte, weichen viele Ärzte auf die orale Gabe von Steroiden aus. Die Evidenz für diese Therapie ist jedoch schwach. In den vergangenen 35 Jahren wurden nur sechs kleinere Vergleichsprüfungen durchgeführt, drei hatten weniger als 40 Patienten.
Mit 269 Teilnehmern hebt sich die jetzt publizierte Studie des US-Gesundheitsanbieters Kaiser Permanente von früheren Untersuchungen ab. Alle Patienten klagten seit weniger als drei Monaten über anhaltende radikuläre Schmerzen, die zu deutlichen Einschränkungen im Alltag geführt hatten. Einschlusskriterium war ein Oswestry Disability Index (ODI) von mindestens 30 auf einer Skala von 0 bis 100 (wobei höhere Zahlen einen stärkeren Funktionsausfall anzeigen). Bei allen Patienten konnte zudem in der Kernspintomographie ein Bandscheibenvorfall nachgewiesen werden, der zum Schmerzbild passt.
Die Patienten wurden über 15 Tage mit Placebo oder mit Prednison behandelt. Die Tagesdosis betrug in den ersten fünf Tagen 3 mal 20 mg, dann über weitere 5 Tage 2 mal 20 mg und an den restlichen 5 Tagen 1 mal 20 mg. Das ergibt eine kumulative Gesamtdosis von 600 mg, von der die Autoren eine ausreichende antientzündliche Wirkung an den spinalen Nervenwurzeln erwarteten.
Wie Harley Goldberg vom San Jose Medical Center von Kaiser Permanente und Mitarbeiter berichten, kam es unter der Prednison-Therapie zu einer deutlichen Verbesserung. Der ODI, der vor Beginn bei 51,1 Punkten gelegen hatte, besserte sich in den ersten drei Wochen um 19,0 Punkte. Bei jedem dritten Patienten kam es sogar zu einer Verbesserung um mehr als die Hälfte. Doch auch im Placebo-Arm hatten sich die Patienten erholt. Der ODI war um 13,3 Punkte gesunken, bei jedem vierten kam es zu einer Verbesserung um mehr als die Hälfte.
Der Unterschied im ODI betrug nach 3 Wochen lediglich 6,4 Punkte, war aber mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,9 bis 10,9 Punkten statistisch signifikant. Dieser Vorteil war auch bei einer weiteren Nachuntersuchung nach 54 Wochen noch vorhanden. Der ODI war in beiden Gruppen weiter gesunken und im Prednison-Arm hatten 87 Prozent eine Verbesserung um mehr als die Hälfte. Die Differenz zum Placebo-Arm betrug 7,4 Punkte (2,2 bis 12,5). Laut Goldberg wird eine Differenz von 5 bis 15 Punkten als klinisch relevant bezeichnet. Die Therapie mit den oralen Steroiden könne also zu einer signifikanten und relevanten Funktionsverbesserung führen.
Dennoch war Goldberg mit den Ergebnissen nicht zufrieden. Der Grund war eine fehlende Wirkung in zahlreichen sekundären Endpunkten, allen voran den Schmerzen (unterhalb der Hüfte). Hier kam es auf einer numerischen Skala von 0 bis 10 unter der Steroidgabe zu einer Verbesserung um 3,0 Punkte nach 3 Wochen und um 5,2 Punkte nach 52 Wochen. Doch der Unterschied zu Placebo (2,8 Punkte nach 3 Wochen und 4,6 Punkte nach 52 Wochen) war minimal und statistisch nicht signifikant. Auch der Anteil der Patienten, die innerhalb eines Jahres an der Wirbelsäule operiert wurden (9,9 Prozent nach Steroidgabe und 9,1 Prozent im Placebo-Arm) unterschied sich nicht.
Für Goldberg bleibt es deshalb fraglich, ob eine akute Radikulopathie mit Steroiden behandelt werden sollte, zumal die Therapie nicht ganz frei von Nebenwirkungen ist. Schlafstörungen (25,7 versus 10,2 Prozent), Nervosität (18,4 versus 8,0 Prozent) und ein gesteigerter Appetit (22,3 versus 10,2 Prozent) wurden unter der Steroidgabe häufiger beobachtet. Schwere Komplikationen durch die Steroidgabe wurden allerdings nicht beobachtet. © rme/aerzteblatt.de
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