Kontrazeption: Woran die Hormonspritze für den Mann (vorerst)...

2023-02-15 15:16:57 By : Ms. Jing Xu

Genf – Intramuskuläre Injektionen einer Kombination aus Progesteron und Testosteron, die alle acht Wochen wiederholt wurden, haben in einer Phase 2-Studie die Spermien­produktion deutlich reduziert und eine zufriedenstellende kontrazeptive Wirkung erzielt. Sicherheitsbedenken führten jedoch zum vorzeitigen Abbruch der Studie, deren Gründe jetzt im Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism (JCEM 2016; doi: 10.1210/jc.2016-2141) erläutert werden.

Mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Einführung der Antibabypille für die Frau ist ein vergleichbares hormonelles Kontrazeptivum für den Mann nicht in Sicht. Zwar konnte bereits 1990 in einer Studie gezeigt werden, dass eine hochdosierte Testosteron­behandlung die Spermienproduktion zuverlässig unterdrückt. Es sind jedoch sehr hohe Dosierungen notwendig, die langfristig die Gesundheit schädigen würden.

Um die Testosterondosis zu senken, sind verschiedene Kombinationen mit einem Gestagen erprobt worden. Als vielversprechend gilt derzeit die Injektion von Testosteron undecanoat (TU) mit Norethisteron enantat (NET-EN). Beide Hormone haben eine Langzeitwirkung, die Behandlungsintervalle von mehreren Wochen erlauben. Beide Hormone wurden in einer Phase 2-Studie der Weltgesundheitsorganisation eingesetzt, auf der vor einigen Jahren die Hoffnungen auf ein Kontrazeptivum für den Mann ruhten. 

An der Studie nahmen ab Anfang 2008 insgesamt 320 gesunde Männer aus sechs Ländern (darunter Deutschland) im Alter von 18 bis 45 Jahren teil, die in einer monogamen Beziehung lebten. Sie erhielten alle acht Wochen als intramuskuläre Injektion 200 mg Norethisteron enanthat plus 1000 mg Testosteron undecanoat.

Die Studie sah zunächst eine Suppressionsphase vor, in der die Spermienkonzentration im Ejakulat auf unter eine Million pro Milliliter gesenkt werden sollte. Diese Menge reicht in der Regel für eine Befruchtung nicht aus. Das Ziel wurde bei 95,9 Prozent der Männer erreicht, die alle Injektionen erhielten.

In den darauf folgenden 56 Wochen waren die intramuskulären Hormoninjektionen die einzige Empfängnisverhütung. Wie das Team um Mario Festin von der Weltgesundheits­organisation (WHO) in Genf jetzt mitteilt, kam es insgesamt zu vier Schwangerschaften, was einem Pearl-Index von 2,18 Schwangerschaften pro 100 Personen-Jahre entspricht. Das ist schlechter als die Antibabypille, deren Pearl-Index deutlich unter 1 liegt, und ein weites 95-Prozent-Konfidenzintervall (0,82 bis 5,80) zeigt, dass der Pearl-Index nur eine erste Annäherung ist. Das Ergebnis hätte jedoch der Anfang für eine kommerzielle Entwicklung sein können, wenn keine Zweifel zur Verträglichkeit der Kombination aufgetreten wären.

Die Injektionen wurden nicht von allen Männern vertragen. Festin registrierte 1.491 Nebenwirkungsereignisse. Nicht alle waren auf die Studienmedikation zurückzuführen. Wegen der fehlenden Kontrollgruppe fällt die Bewertung schwer. Nach Einschätzung der Studienleitung sind jedoch 39 Prozent der Nebenwirkungen nicht auf die Hormon­injektionen zurückzuführen, weitere 40 Prozent waren „wahrscheinlich“ auf die Hormone zurückzuführen und bei 29 Prozent war ein Zusammenhang eindeutig.

Dies traf beispielsweise auf die Akne zu, die bei fast der Hälfte der Männer (45,9 Prozent) auftrat. Auch Lokalreaktionen an der Injektionsstelle (23,1 Prozent) waren häufig. Hinzu kamen eine Veränderung der Libido (42,2 Prozent; in der Regel ein Anstieg), und Gemütsstörungen (16,9 Prozent berichteten über emotionale Störungen). 

Die meisten Nebenwirkungen waren nach Einschätzung von Festin nicht sehr ausgeprägt und die meisten Männer (91,9 Prozent) und ihre Partnerinnen (79,6 Prozent) waren mit der Empfängnisverhütung zufrieden oder sehr zufrieden. Nur 20 Männer brachen die Studie vorzeitig ab. Bei einigen Männern kam es jedoch zu schweren Nebenwirkungen, die ein übergeordnetes Komitee der WHO im März 2011 bewog, die Studie vorzeitig abzubrechen, während die studieninterne Prüfkommission wenige Wochen zuvor keine Einwände gegen eine Fortsetzung der Studie hatte.

Zu den Gründen für den Studienabbruch zählte vor allem eine schwere Depression, die bei einem Teilnehmer auftrat und wahrscheinlich auf die Hormone zurückzuführen war. (Ein weiterer Mann nahm sich das Leben, was jedoch auf persönliche Probleme zurückgeführt wurde). Hinzu kam eine Paracetamol-Überdosierung, die laut Festin eventuell mit der Hormoneinnahme in Verbindung stand, sowie eine Tachykardie infolge eines paroxysmalen Vorhofflimmerns mit möglichem Zusammenhang zu den Hormonspritzen.

Dass die endgültige Publikation erst fünf Jahre später erscheint, deutet vielleicht an, dass die Deutung der Ergebnisse den Beteiligten schwer fiel. Die Studie hat die Entwicklung einer hormonellen Kontrazeption für den Mann nicht völlig zum Stillstand gebracht. Es sind laut Festin jedoch weitere vorbereitende Untersuchungen notwendig, um eine gute Balance zwischen Wirksamkeit und Sicherheit zu finden. © rme/aerzteblatt.de

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